- Maya: Stelen und Staaten
- Maya: Stelen und StaatenÖstlich des Isthmus von Tehuantepec ist die Geschichte Mesoamerikas auch die der Maya. Um 1500 v. Chr., so scheint es, begann ihre Expansion aus einer Urheimat, die im Hochland von Guatemala vermutet wird. Sie stießen in die Tiefländer der Halbinsel Yucatán vor, deren Norden vergleichsweise trocken ist, an die Pazifikküste Guatemalas und später auch in die Regenwälder des Petén und am Usumacinta. Die Huaxteken, die sich früh von den Maya abgespaltet hatten, verschlug es an die nördliche Golfküste Mexikos, wo sie den Kontakt zu ihrem ursprünglichen Volk verloren.Die frühen Maya lebten in dörflichen Gesellschaften. Sie bauten ihren Mais auf Rodungsfeldern an, die wegen der Erschöpfung des Bodens alle drei bis vier Jahre verlegt werden mussten. Diese Gesellschaften profitierten im 1. Jahrtausend v. Chr. teilweise von den Neuerungen der olmekischen Kultur und ihrer unmittelbaren Nachfolger, leisteten aber auch deutliche Eigenbeiträge zur kulturellen Entwicklung. So wurde einerseits das Kraggewölbe, dem sich die steilen Dächer der Maya-Bauten verdanken, aus Oaxaca übernommen, andererseits zwang ihr starkes Bevölkerungswachstum die Maya zu Neuerungen im Feldbau. Riesige Flächen im Tiefland wurden durch Entwässerung urbar gemacht, und die in der Folge mögliche Intensivierung der Produktion führte zu noch größeren, noch dauerhafteren Siedlungen. In die späte Vorklassik muss auch die Übernahme von Schrift und Kalender fallen, obwohl die frühesten sicheren Belege erst aus der Frühklassik stammen. Aus den Dörfern waren inzwischen Städte geworden.Vielleicht war es nur Zufall, dass um 250 v. Chr. der von den Eruptionen des Vulkans Ilopango ausgelöste Auszug der Maya aus den Gebieten des heutigen El Salvador und Ostguatemalas und die Einwanderung in den Petén mit dem Aufschwung der Maya-Kultur zusammenfiel. Aber genau zu diesem Zeitpunkt kann man an Orten wie Tikal oder Uaxactún im Tiefland die Herausbildung der klassischen Maya-Kultur beobachten, wobei aus vielen bereits vorhandenen Elementen ein neues Ganzes entstand. Entscheidendes Bindeglied war dabei die Verehrung der vergöttlicht gedachten Ahnen der dynastischen Herrscher. Sie besaßen zugleich eine wichtige Mittlerrolle zur Welt der Götter, durch die sie für ihre Untertanen die Fruchtbarkeit der Felder und den Erhalt des kosmischen Gleichgewichts sicherten. Auf hunderten von steinernen Stelen schufen sich diese Fürsten unsterbliche Abbilder und Inschriften, die die Rechtmäßigkeit ihrer Herrschaft sowie ihre Ruhmestaten bezeugten.Die Vormachtstellung und das Vorbild des fernen Teotihuacán sind in Kaminaljuyú im guatemaltekischen Hochland so deutlich, sodass die Stadt fast wie ein Kolonie Teotihuacáns wirkt, während dessen Einflüsse im Petén stärker in die eigenen, die Traditionen der Maya verarbeitet erscheinen. So ist es etwa typisch, dass sich die Schrift fast ausschließlich im Tiefland entwickelte, kaum dagegen im Hochland (wie in Teotihuacán). Die Krise, in die die Maya zwischen 530 und 580 gerieten und die sich in nachlassender Bautätigkeit, selteneren Stelensetzungen und in Bevölkerungsverschiebungen zeigt, wird gern mit dem Niedergang Teotihuacáns erklärt, der aber wohl erst später einsetzte. Vielleicht aber war die Maya-Krise umgekehrt ein Faktor im Fall der Stadt der Götter.Im Gegensatz zu Teotihuacán erholten sich die Maya wieder von ihren Schwierigkeiten. Aber neben Tikal, das ein gutes Jahrhundert von der Bildfläche verschwunden war und ab der Mitte des 6. Jahrhunderts zu einer neuen Blüte, die bis um 900 anhielt, kam, traten neue Zentren an der früheren Peripherie, wie Palenque und andere Städte am Usumacinta im Westen, Copán im Osten, in Honduras, und Uxmal und andere Städte im yucatekischen Norden. Die Unterschiede der lokalen Stile sind ebenso unverkennbar wie die wachsenden Beziehungen zwischen den Stadtstaaten und ihren Dynastien, die zunehmend zur Bildung von Regionalstaaten führten. In Yucatán gab es ein regionales Straßennetz, das ebenfalls auf ein Zusammenrücken schließen lässt. Kriege wurden nicht für den Territorialgewinn geführt, sondern in erster Linie aus zeremoniellen Gründen, besonders zur Beschaffung von Menschenopfern.Die spätklassische Zeit bildet zweifellos den zivilisatorischen Höhepunkt der Maya. In den Städten blühte das Kunsthandwerk, das im Dienst der herrschenden Adelsschicht stand.. Stein- und Keramikskulptur, die Herstellung farbig bemalter Tonwaren und Wandmalereien waren nur einige der zur Perfektion verfeinerten Techniken. Nicht nur die Schrift erreichte eine sonst im alten Amerika unbekannte Vervollkommnung, auch die mathematischen und astronomischen Kenntnisse der Maya waren hervorragend. Sie verfügten über die Zahl Null und stellten Berechnungen über die Umläufe des Planeten Venus an. Treibende Kraft war dabei aber nicht der Wissensdurst an sich, sondern der Glaube an die zyklische Vorausbestimmtheit der Welt, und so waren es die Priesterschaften, die sich der Zahlen- und Sternkunde widmeten. Die zweite Blüte der Maya-Klassik war von kurzer Dauer. Schon bald nach der Mitte des 8. Jahrhunderts verzichtete man in manchen Gegenden auf die Errichtung neuer Stelen - ein Signal für den Niedergang der Dynastien. Um 900 waren die klassischen Maya-Städte des südlichen Tieflands verlassen und harrten bis zum späten 18. Jahrhundert ihrer »Entdeckung« durch europäische Forscher. Der Kollaps einer blühenden Kultur war großteils die Folge von Kriegen, ausgelöst durch das Vordringen von Gruppen aus dem Nordwesten, die auch das alte Handelsnetz beeinträchtigten. Im Norden Yucatáns wurde der Zusammenbruch dadurch vereitelt, dass im 10. Jahrhundert eine neue, zentralmexikanisch geprägte Elite tonangebend wurde. Es waren die mit den Tolteken verbündeten oder gar mit ihnen identischen Itzá, die in der Maya-Stadt Chichén Itzá ihren Stil von Architektur, Kunst und Kult einführten. Die Maya hatten für die Eindringlinge nur Verachtung übrig, konnten sich der Fremdherrschaft aber erst nach rund 200 Jahren entledigen. Danach übernahm die Stadt Mayapán die Führungsrolle in Yucatán - ob im Rahmen einer Konföderation oder eines Eroberungsstaats, ist nicht ganz klar.Der Niedergang der Maya war sowohl ein kultureller als auch ein politischer. Die Schrift wurde zwar beibehalten, das Kalenderwesen aber vereinfacht. Architektur und Kunsthandwerk verloren die Verfeinerung der klassischen Zeit. Kurz vor der Ankunft der Europäer waren die Maya von Einheit und Nationalstaatlichkeit weiter entfernt als je zuvor. Dennoch waren sie in dieser Zersplitterung für die Spanier schwerer zu erobern als die zentralistisch organisierten Azteken.Prof. Dr. Christian F. FeestAlcina Franch, José: Die Kunst des alten Amerika. Aus dem Französischen. Freiburg im Breisgau u. a. 21982.Die Indianer. Kulturen und Geschichte, Band 2: Münzel, Mark: Mittel- und Südamerika. Von Yucatán bis Feuerland. München 51992.Lavallée, Danièle und Lumbrerars, Luis Guillermo: Die Andenvölker. Von den frühen Kulturen bis zu den Inka.Aus dem Französischen und Spanischen. München 1986.
Universal-Lexikon. 2012.